Müssen Warenwirtschaftssysteme von Online-Händlern aufgerüstet werden?
Online-Händler könnten zukünftig verpflichtet sein, das von ihnen eingesetzte Warenwirtschaftssystem aufzurüsten – konkret muss ggf. eine Technische Sicherheitseinrichtung (kurz: TSE) nachgerüstet werden. Wird dies unterlassen, drohen u. U. sehr hohe Steuernachzahlungen aufgrund von Umsatz-Hinzuschätzungen durch das Finanzamt.
Die Pflicht zum Update besteht, wenn mit dem Warenwirtschaftssystem auch Kassenvorgänge erfasst werden. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn Laufkunden am Lager des Online-Händlers auch gegen Barzahlung Waren erwerben könnten und diese Barverkäufe im Warenwirtschaftssystem erfasst würden.
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Anfrage stellenWie muss das Warenwirtschaftssystem aufgerüstet werden?
Warenwirtschaftssysteme mit Kassenfunktion müssen über eine Technische Sicherheitseinrichtung verfügen, welche verhindern soll, dass Kassen manipuliert werden können. Hierfür sichert die TSE bei jedem Kassenvorgang die zugehörigen Daten und speichert diese in einem einheitlichen Format ab. Das Finanzamt kann anschließend die geschützten Daten auf Vollständigkeit prüfen. Ebenso muss die Kasse eine Möglichkeit zum Export der aufgezeichneten Kassendaten bieten (sog. einheitliche digitale Schnittstelle).
Die in der jeweiligen Kasse eingesetzten Technischen Sicherheitseinrichtungen müssen zertifiziert worden sein. Die zulässigen Zertifikate und entsprechenden Anbieter können über die Seite des Bundesamtes für Sicherheit und Informationstechnik (BSI) abgerufen werden. Inzwischen gibt es Anbieter mit zertifizierten cloudbasierten Technischen Sicherheitseinrichtungen.
Abgesichert müssen jedoch nur Geschäftsvorfälle, die zu einem kassenrelevanten oder kassensturzrelevanten Vorgang gehören oder zu diesem werden könnten. Bestellungen beim Lieferanten über eine Warenwirtschaft gehören nicht dazu, wenn sie einem zukünftigen Verkauf eindeutig zugeordnet werden können. Es muss also nicht das gesamte Warenwirtschaftssystem mit der TSE abgesichert werden, sondern nur die kassenrelevanten Vorgänge.
Was ist die gesetzliche Grundlage für diese Aufrüstungspflicht für Warenwirtschaftssysteme?
Aufgrund des Gesetzes zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen vom 22. Dezember 2016 ist § 146a AO eingeführt worden. Demnach besteht ab dem 1. Januar 2020 die Pflicht, elektronische Aufzeichnungssysteme im Sinne des § 146a Abs. 1 Satz 1 AO i. V. m. § 1 Satz 1 KassenSichV und die damit zu führenden digitalen Aufzeichnungen durch eine zertifizierte Technische Sicherheitseinrichtung zu schützen.
Die Vorschrift des § 146a AO beschränkt sich somit nicht auf stationäre Registrierkassen in Ladengeschäften, sondern erfasst sämtliche elektronische Aufzeichnungssysteme.
Wann gelten Warenwirtschaftssysteme von Online-Händlern als elektronisches Aufzeichnungssystem?
Elektronische Aufzeichnungssysteme müssen also um eine Technische Sicherheitseinrichtung nachgerüstet werden. Entscheidend ist nun, ob das vom Online-Händler eingesetzte Warenwirtschaftssystem als elektronisches Aufzeichnungssystem gilt.
§ 1 Satz 1 KassenSichV regelt, dass elektronische Aufzeichnungssysteme im Sinne des § 146a Abgabenordnung sämtliche elektronischen oder computergestützten Kassensysteme oder Registrierkassen sind. Diese Systeme dienen zur Aufzeichnung von Geschäftsvorfällen i. S. d. § 146a AO, wenn sie
- für den Verkauf von Waren oder
- das Erbringen von Dienstleistungen
und deren Abrechnung eine Kassenfunktion besitzen.
Eine Kassenfunktion haben elektronische Aufzeichnungssysteme dann, wenn sie der Erfassung und Abwicklung von zumindest teilweise baren Zahlungsvorgängen dienen können. Eine Aufbewahrungsmöglichkeit des verwalteten Bargeldbestandes (z. B. Kassenlade) ist nicht erforderlich. Somit werden explizit auch die üblicherweise von Online-Händlern eingesetzten cloudbasierten Warenwirtschaftssysteme erfasst.
Das Warenwirtschaftssystem von Online-Händlern ist ein solches elektronisches Aufzeichnungssystem, wenn auch die Kassenvorgänge erfasst werden oder dort das Kassenbuch geführt wird. Die Vorgaben des § 146a AO sind somit für cloudbasierte Warenwirtschaftssysteme von Online-Händlern zu beachten. Diese sind um eine TSE-Einrichtung zu ergänzen, wenn im Warenwirtschaftssystem auch Kassenvorgänge (z. B. Barzahlungen) erfasst werden – das wäre nicht der Fall, wenn es lediglich dazu dient, Rechnungen an (namentlich bekannte) Kunden zu schreiben.
Was gilt bei Neuanschaffungen von Warenwirtschaftssystemen durch Online-Händler?
Bei Neuanschaffung eines Warenwirtschaftssystems mit Kassenfunktion muss seit dem 1. Januar 2020 eine zertifizierte TSE eingesetzt werden. Für Anbieter von Warenwirtschaftssystemen mit Kassenfunktion besteht ein Verbot, Systeme zu vertreiben, die nicht über eine zertifizierte Technische Sicherheitseinrichtung verfügen. Für Unternehmen ist es somit nicht mehr möglich, ein Warenwirtschaftssystem mit Kassenfunktion zu erwerben, die diese Anforderungen nicht erfüllt.
Bis wann müssen Online-Händler ihre bestehenden Warenwirtschaftssysteme umrüsten?
Grundsätzlich besteht seit September 2020 die Pflicht, Warenwirtschaftssysteme mit Kassenfunktion um eine technische Sicherheitseinrichtung aufzurüsten. Nur bestimmte Altsysteme können für eine Übergangsfrist weiterhin genutzt werden – solche Systeme, die
- im Zeitraum vom 26. November 2010 bis zum 31. Dezember 2019 angeschafft wurden und
- die neue Kassenrichtlinie erfüllen,
- nicht aber die Möglichkeit zur Aufrüstung mit einer zertifizierten TSE haben,
dürfen noch bis zum 31. Dezember 2022 verwendet werden.
Spätestens ab dem 1. Januar 2023 ist dann in jedem Fall eine neue, den technischen Voraussetzungen des Kassengesetzes entsprechende Kasse einzusetzen. Es muss also im Einzelfall geprüft werden, ob das eingesetzte Warenwirtschaftssystem mit Kassenfunktion eine Updatemöglichkeit zulässt. Ist eine Aufrüstung um die Technische Sicherheitseinrichtung möglich, muss diese umgesetzt werden.
Besteht keine Aufrüstungsmöglichkeit, kann das bestehende System noch bis Ende des Jahres 2022 weitergenutzt werden.
Welche Nachteile drohen bei einer unterlassenen Aufrüstung des Warenwirtschaftssystemen?
Sollte bei einer Betriebsprüfung festgestellt werden, dass Ihr Kassensystem nicht mehr zulässig ist, ist es sehr wahrscheinlich, dass der Betriebsprüfer allein wegen diesem Umstand zu Ihren angegebenen Einnahmen weitere hinzuschätzt. Hierdurch drohen erhebliche Steuernachzahlungen bei der Umsatzsteuer und Ertragsteuer.
Dieses Risiko der Steuernachzahlung lässt sich nur vermeiden, wenn Sie sichergestellt haben, dass Ihr eingesetztes Warenwirtschaftssystem mit Kassenfunktion noch zulässig ist oder wenn Sie ein neues Warenwirtschaftssystem angeschafft und eingesetzt haben.
Verfahrensdokumentation für Kassenvorgänge
Darüber hinaus können Gefahren für Steuernachzahlungen bei einer Betriebsprüfung deutlich reduziert werden, wenn Sie eine Verfahrensdokumentation erstellen. In dieser werden die Prozesse und Abläufe dokumentiert, die in Ihrem Unternehmen bei Kassiervorgängen gelten. Durch eine gute Verfahrensdokumentation fällt es dem Finanzamt deutlich schwerer, einen Angriffspunkt für Steuernachzahlungen bei Betriebsprüfungen zu finden. Außerdem können Sie durch die genaue Dokumentation über die Abläufe bei Kassenvorgänge in Ihrem Unternehmen den Betrug durch Ihre Mitarbeiter eingrenzen.
Haben Sie weitere Fragen?
Gerne beraten wir Sie im Zusammenhang mit den Herausforderungen bei der Kassenführung. Gemeinsam mit Ihrem Warenwirtschaftssystem-Anbieter können wir für Sie prüfen und sicherstellen, ob Ihr eingesetztes Warenwirtschaftssystem noch den Anforderungen des Finanzamtes genügt.
Außerdem erstellen wir gerne eine Verfahrensdokumentation für Sie, welche Sie bei Betriebsprüfungen vor Steuernachzahlungen schützt und zudem Betrug vorbeugt.
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