Der Wechsel von Einnahmenüberschussrechnung zur Bilanz
Das Geschäftsmodell Ihres Online-Unternehmens als Einzelunternehmung oder Personengesellschaft (z. B. als Gesellschaft bürgerlichen Rechts – GbR) hat sich bewährt, die Umsätze steigen und Sie können erfolgreiche Skalierungseffekte vorweisen. Egal, ob Sie Waren über das Internet verkaufen oder online Dienstleistungen anbieten, mit dem wachsenden Erfolg kommen auch weitere steuerliche Verpflichtungen auf Sie zu. Gerade, wenn Sie bisher Ihren Gewinn mit der einfachen Einnahmenüberschussrechnung erstellt haben, steht möglicherweise schon bald eine Neuerung im Rechnungswesen an: der verpflichtende Wechsel zur Bilanzierung, also die Aufstellung einer Bilanz. Wenn von Buchführungspflicht die Rede ist, stellt die Einnahmenüberschussrechnung eine vereinfachte Lösung dar, die Bilanzierung den ausführlicheren und komplexeren Weg. Im Folgenden stellen wir Ihnen dar, welche Besonderheiten es beim Wechsel zur Bilanzierung für Sie zu beachten gibt und wo es möglicherweise auch Vorteile gibt.
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Bilanzierungspflicht nach dem Handelsgesetzbuch (HGB)
Nach dem HGB sind Sie bilanzierungspflichtig, wenn Sie als Kaufmann im Handelsregister eingetragen sind. Als Kaufmann im Sinne des HGB mit Verpflichtung zur Eintragung ins Handelsregister gelten Sie, wenn Ihr Unternehmen über einen kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetrieb verfügt. Je höher z. B. die Umsatzerlöse und die Werte des Anlagevermögens sind und je mehr Mitarbeiter in unterschiedlichen Abteilungen beschäftigt werden, umso mehr spricht für die Annahme eines kaufmännischen Geschäftsbetriebs. Es ist allerdings auch möglich, sich freiwillig als sog. Kann-Kaufmann in das HGB eintragen zu lassen – auch hier besteht dann im Prinzip Bilanzierungspflicht. Ist die Firma als GmbH oder als Personenhandelsgesellschaft (offene Handelsgesellschaft – oHG, Kommanditgesellschaft – KG) oder als Mischform, z. B. GmbH & Co. KG organisiert, gilt sie als sog. Formkaufmann und ist verpflichtend, sich in das Handelsregister einzutragen zu lassen – woraus dann automatisch eine Bilanzierungspflicht resultiert.
Hinweis
Lediglich beim Einzelunternehmen und bei der GbR als Personengesellschaft bestehen hinsichtlich der Kaufmannseigenschaft und der Verpflichtung zur Eintragung ins Handelsregister also Spielräume.
Für Einzelunternehmen gilt außerdem dem noch eine Ausnahmeregelung: Sie sind als Einzelunternehmer, der im Handelsregister eingetragen ist, trotzdem nicht bilanzierungspflichtig, wenn Sie an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren Umsatzerlöse von nicht mehr als 600.000 EUR und Jahresüberschüsse von nicht mehr als 60.000 EUR ausweisen. Hier reicht dann eine Einnahmenüberschussrechnung, auch wenn Sie als sog. eingetragener Kaufmann (e. K.) im Handelsregister eingetragen sind.
Buchführungspflicht nach steuerlichen Vorgaben
Unabhängig davon, ob ein Unternehmen nach handelsrechtlichen Vorschriften zur Bilanzierung verpflichtet ist, kann sich auch aus den steuerlichen Regelungen eine Verpflichtung zur Aufstellung einer Bilanz ergeben. Dies ist der Fall, sofern die erzielten Umsätze einschließlich der steuerfreien Umsätze – ausgenommen bestimmter Finanzumsätze – 600.000 Euro im Kalenderjahr übersteigen oder der Gewinn aus Gewerbebetrieb mehr als 60.000 EUR im Wirtschaftsjahr beträgt.
Die steuerliche Bilanzierungspflicht entsteht erst nach Bekanntgabe eines entsprechenden Verwaltungsakts, mit dem das Finanzamt auf den Beginn dieser Verpflichtung hinweist. Die Bilanzierungspflicht gilt dann vom Beginn des Wirtschaftsjahrs an, das auf die Mitteilung des Finanzamtes folgt.
Beispiel
Wenn das Finanzamt Ihnen im Oktober 2020 eine Mitteilung über die Bilanzierungspflicht schickt, müssen Sie ab dem 01.01.2021 eine Bilanz erstellen.
Freiwillige Bilanzierung
Es kann Gründe geben, schon vor einer Verpflichtung zur Bilanzierung eine Bilanz aufzustellen. Kapitalgeber, wie zum Beispiel Banken, schätzen Bilanzen aufgrund ihrer höheren Aussagekraft gegenüber einer Einnahmenüberschussrechnung – dies gilt ebenfalls für andere private Investoren, wie z. B. Venture-Kapitalgeber. Mit dem Wachstum des Unternehmens ist fast immer auch weiterer Finanzierungsbedarf verbunden. Demnach kann es also für kommende Finanzierungsrunden von Vorteil sein, wenn den Investoren Bilanzen vorgelegt werden können. Darüber hinaus bietet Ihnen selbst auch die Bilanz einen besseren Überblick über die Vermögens- und Ertragslage des Unternehmens.
Außerdem kann es in bestimmten Situationen auch zu erheblichen Steuerersparnissen kommen, wenn freiwillig eine Bilanz aufgestellt wird (z. B. durch die Berücksichtigung von Rückstellungen).
Unterschiede zwischen Einnahmenüberschussrechnung und Bilanz
Bei einer Einnahmenüberschussrechnung werden für das entsprechende Jahr einfach nur die Ausgaben von den Einnahmen abgezogen. Die sich draus ergebende Differenz ist der Gewinn oder Verlust, welcher dann Grundlage für die Besteuerung ist. Erlöse und Aufwandsbeträge werden bei der Einnahmenüberschussrechnung erst dann erfasst, wenn die Gelder tatsächlich vereinnahmt wurden. Für bestimmte Wirtschaftsgüter muss außerdem ein Anlagenverzeichnis geführt werden.
Eine Bilanz hält das Vermögen und die Verbindlichkeiten des Unternehmens zu einem bestimmten Stichtag – detailliert nach gesetzlichen Vorgaben – fest, so wird z. B. in Eigen- und Fremdkapital unterschieden. Bei der Bilanz kann bereits Erlös oder Aufwand realisiert werden, bevor das Geld auf dem Konto eingeht. Hier kommt es nicht auf den Zahlungsfluss an, sondern auf die wirtschaftliche Verursachung der Erlöse oder Aufwendungen. Demnach können die Jahresergebnisse, die Grundlage für die Besteuerung sind, bei der Bilanzierung signifikant von denen bei der Einnahmenüberschussrechnung abweichen. Bei der Bilanzierung sind allerdings durch Ansatz- und Bewertungswahlrechte viel mehr steuergestaltende Maßnahmen möglich als bei der Einnahmenüberschussrechnung. Dort haben Sie lediglich die Möglichkeit, die Gewinn- und Aufwandsrealisierung über den Zu- und Abfluss von Zahlungsströmen zu steuern.
Der Übergang von der Einnahmenüberschussrechnung zur Bilanz
Da Einnahmenüberschussrechnung und Bilanz unterschiedlichen Systematiken folgen, muss man beim Wechsel der Gewinnermittlungsart ein Übergangsergebnis ermitteln. Dadurch soll erreicht werden, dass bestimmte Geschäftsvorfälle steuerlich nicht doppelt erfasst werden oder aber steuerlich unter dem Strich unberücksichtigt bleiben. Es ist hierbei dann für das erste Jahr der Bilanzierung eine Eröffnungsbilanz zu erstellen, in welcher erstmals das betriebliche Vermögen und die Schulden als Aktiv- und Passivposten zu erfassen sind.
Beispiel
Bisher wurde im Rahmen der Einnahmenüberschussrechnung bei Zahlung als gewinnmindernder Aufwand erfasst. Bei Erstellung der Eröffnungsbilanz wird festgestellt, dass er einen Warenbestand im Wert von 20.000 € besteht.
Lösung
Bei der Bilanzierung wirkt sich der Warenbezug zunächst nicht auf den Gewinn aus. Der erfasste Warenbestand ist dem Übergangsgewinn in Höhe von 20.000 EUR hinzuzurechnen. Der Übergangsgewinn in Höhe von 20.000 EUR ist im Jahr des Wechsels von der Einnahmenüberschussrechnung zur Bilanzierung zu versteuern. Beim späteren Verkauf der erfassten Waren im Rahmen des Wareneinsatzes wirkt sich die Verringerung des Warenbestandes dann wieder gewinnmindernd aus.
Damit es durch den Wechsel von der Einnahmenüberschuss-Rechnung zur Bilanzierung und einen dabei entstehendes Übergangsergebnis nicht zu besonderen steuerlichen Härten kommt, besteht die Möglichkeit, das Übergangsergebnis auf bis zu drei Steuerjahre zu verteilen, sodass eine mögliche Steuerbelastung beim Übergang auf die Bilanzierung nicht vollständig sofort mit einem hohen Steuersatz versteuert werden muss.
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