Der Umzug aus Deutschland kann für Unternehmer teuer werden, besonders wenn sie mehr als 1% der Anteile an Kapitalgesellschaften halten. Die sogenannte Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG kann erhebliche Kosten verursachen, auch wenn kein tatsächlicher Verkauf von Anteilen stattfindet. Worauf Sie als Gesellschafter achten sollten, erfahren Sie in unserem Blogartikel.
Abgrenzung der Wegzugsbesteuerung
Nehmen wir an, Sie haben 2015 eine GmbH mit einem Stammkapital von 25.000 Euro gegründet. Sie betreiben ein erfolgreiches E-Commerce-Geschäft, das mittlerweile durchschnittlich einen Gewinn von 100.000 Euro pro Jahr erzielt.
In einem vereinfachten Ertragswertverfahren würde das Finanzamt den Unternehmenswert mit 13,75 x dem durchschnittlichen Jahresgewinn vor Steuern bewerten - das entspricht einem Unternehmenswert von 1.375.000 Euro.
Nun planen Sie, aus Deutschland wegzuziehen.
Obwohl es keinen Käufer gibt, der einen Kaufpreis zahlt, muss der Wert des Unternehmens versteuert werden. Die Steuerbelastung liegt bei etwa 28% aufgrund des Teileinkünfteverfahrens. Daraus würde eine Steuerbelastung von 391.000 Euro resultieren, nur wegen des Wegzugs.
Aber es wird noch komplizierter: Auch Unternehmen, die bisher Verluste erzielt haben, können der Besteuerung unterfallen. Grund dafür ist der sogenannte Substanzwert.
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Anfrage stellenAnteile an Kapitalgesellschaften unter 1% Beteiligungshöhe
Zudem ist es wichtig zu beachten, dass Privatpersonen, die ein Aktiendepot mit Anteilen unter 1% halten, von der Wegzugsbesteuerung in Deutschland nicht betroffen sind.
Im Gegensatz dazu betrifft die Wegzugsbesteuerung in Ländern wie Österreich auch Privatvermögen. Allerdings gibt es dort Steuerstundungsmöglichkeiten.
Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG im Detail
Die Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG betrifft Anteile an Kapitalgesellschaften über 1%. Hierbei wird ein fiktiver Verkauf der Anteile unterstellt.
Voraussetzungen um der Wegzugsbesteuerung zu unterliegen
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Sie haben in den letzten 12 Jahren insgesamt mehr als 7 Jahre in Deutschland als unbeschränkt steuerpflichtiger gelebt.
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Es kommt zum Wegfall der Steuerpflicht in Deutschland (Aufgabe von Wohnsitz / gewöhnlichem Aufenthalt), was bedeutet, dass Deutschland keine Besteuerung mehr auf die Anteile vornehmen kann. Deshalb wird die Wegzugsbesteuerung angewendet, um Wertsteigerungen bis dahin noch in Deutschland zu besteuern, bevor Deutschland das Besteuerungsrecht auf die Anteile nach dem Wegzug verliert. Auch die Schenkung der Anteile an eine Person, die im Ausland lebt, wäre steuerpflichtig.
Stundung der Steuer
Bis zum Veranlagungszeitraum 2022 war eine umfassende und zinslose Stundung der Steuer möglich. Mittlerweile ist jedoch nur noch ein Antrag auf Stundung in sieben gleichen Jahresraten möglich.
Das heißt die Wegzugsteuer kann nicht mehr endlos gestundet werden, sondern muss tatsächlich beglichen werden. Die Jahresraten sind nicht zu verzinsen und werden in der Regel gegen Sicherheitsleistung gewährt.
Vorübergehende Abwesenheit und Wegzugsbesteuerung
Bei einer geplanten Rückkehr nach Deutschland innerhalb von sieben Jahren nach dem Wegzug kann die Wegzugsbesteuerung entfallen.
Es gelten jedoch einige Bedingungen:
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Die Anteile dürfen in der Zwischenzeit weder veräußert, übertragen, noch in ein Betriebsvermögen eingelegt worden sein.
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Es dürfen keine Gewinnausschüttungen erfolgt sein, deren gemeiner Wert insgesamt mehr als ein Viertel des Unternehmenswertes beträgt.
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Deutschland muss sein ursprüngliches Besteuerungsrecht in vollem Umfang zurückerhalten.
Wie kann man die Wegzugsbesteuerung vermeiden?
Es gibt verschiedene Strategien, um die Wegzugsbesteuerung zu vermeiden oder zu minimieren. Diese reichen von einfachen Wohnsitzmanagement-Strategien bis hin zu komplexeren Lösungen wie der Gründung einer Stiftung oder der Umwandlung des Unternehmens.
1. Möglichkeit zur Vermeidung der Wegzugbesteuerung: Wohnsitzmanagement
Die einfachste Methode besteht darin, die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland aufrechtzuerhalten. Dazu können Sie Ihren Wohnsitz und Ihre Wohnung in Deutschland beibehalten und diese auch hin und wieder nutzen. Allerdings bleibt man bei dieser Methode mit Gewinnausschüttungen der GmbH in Deutschland steuerpflichtig.
2. Möglichkeit zur Vermeidung der Wegzugbesteuerung: Anteilschenkung vor dem Wegzug
Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Anteile vor dem Wegzug an eine in Deutschland ansässige Person zu verschenken. Dies verhindert die Wegzugsbesteuerung, birgt aber auch das Problem der Schenkungsteuer. Hier kann die Schenkung unter Vorbehaltsnießbrauch eine Lösung sein: Der Schenker behält sich das Recht vor, Gewinnausschüttungen und Verkaufsgewinne zu erhalten und überträgt nur das zivilrechtliche Eigentum an den Anteilen. Das Nießbrauchsrecht wird bewertet und von der Schenkungsteuer abgezogen.
3. Möglichkeit zur Vermeidung der Wegzugbesteuerung: Familienstiftung
Die Übertragung der Anteile auf eine Stiftung kann auch eine Option sein. Hier wird die Familienstiftung oftmals unterschätzt, obwohl sie ein effektives Gestaltungsmittel sein kann.
Was ist eine Stiftung?
Die rechtsfähige Stiftung ist ein rechtlich verselbstständigtes Vermögen (juristische Person), das dazu bestimmt ist, einen vom Stifter festgelegten Zweck zu erfüllen. Dies ist in den §§ 80ff. des BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) geregelt.
Die Stiftung ist ähnlich wie ein Verein, aber das Vermögen wird zur Erfüllung eines vom Stifter festgelegten Zwecks verwendet - z. B. die Förderung des Stifters und dessen Familie. Dann liegt eine sogenannte Familienstiftung vor.
Steuerliche Einordnung der Stiftung
Die Übertragung von Vermögen auf eine Familienstiftung kann bis zu einem Betrag von 400.000 Euro schenkungsteuerfrei erfolgen. Allerdings muss die Stiftung dann nur die Kinder des Stifters und bei deren Ableben die Enkel fördern.
Eine Erbersatzsteuer ist alle 30 Jahre fällig, jedoch gibt es bei Familienstiftungen einen Freibetrag von 800.000 Euro. Die Stiftung zahlt nur 15% Körperschaftsteuer und keine Gewerbesteuer, wenn sie keine gewerblichen Tätigkeiten ausführt. Dies kann sich auch für Immobilien oder andere Kapitalanlagen lohnen. Ein Verkauf von GmbH-Anteilen kann wie bei einer Holding nach § 8b KStG steuerfrei erfolgen.
Auszahlungen an die Destinatäre unterliegen der Kapitalertragsteuer von 25%.
Deutsche Stiftung oder Stiftung im Ausland?
Die Wahl zwischen einer deutschen und einer ausländischen Stiftung kann durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden. Eine ausländische Stiftung ist auf lange Sicht oft steuerlich günstiger, allerdings fällt bei der Überführung des Vermögens auf die Stiftung eine Schenkungsteuer von 30% an. Insolvenzrechtlich bietet eine Stiftung nach 4 Jahren Schutz vor Anfechtungen und dient so auch dem Vermögensschutz.
4. Möglichkeit zur Vermeidung der Wegzugbesteuerung: Flucht in das Betriebsvermögen
Eine weitere Möglichkeit, die Wegzugsbesteuerung zu vermeiden, besteht darin, die GmbH-Anteile in ein Betriebsvermögen zu überführen. Das Betriebsvermögen verbleibt in Deutschland, so dass keine Wegzugbesteuerung stattfindet. Das könnte beispielsweise durch die Gründung einer GmbH & Co. KG mit deutschem Sitz und deutscher Geschäftsleitung geschehen, in die die Anteile eingebracht werden.
Diese Methode erfordert allerdings eine gewerbliche Tätigkeit der GmbH & Co. KG, da die GmbH & Co. KG ansonsten im internationalen Steuerrecht keinen umfangreichen Schutz vor der Verlagerung des Besteuerungsrechtes bietet. Hierbei sollten Sie unbedingt die Hilfe eines Steuerberaters in Anspruch nehmen, um Fehler zu vermeiden. Sprechen Sie uns bei Bedarf gerne an.
5. Möglichkeit zur Vermeidung der Wegzugbesteuerung: Umwandlung des Unternehmens in eine Personengesellschaft
Sie könnten auch die Kapitalgesellschaft (GmbH, UG, AG) in eine Personengesellschaft umwandeln. Die Personengesellschaft unterliegt nicht der Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG. Der Vorgang ist jedoch komplex und kann Probleme aufwerfen, wenn der bisherige Anteilsinhaber die Geschäfte der Personengesellschaft nach dem Wegzug aus dem Ausland heraus führt. In diesen Fällen könnten Wirtschaftsgüter aus dem Inland in eine ausländische Geschäftsleitungsbetriebsstätte überführt werden, was zu einer Besteuerung führen könnte.
Fazit
Die Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG kann für Unternehmer, die aus Deutschland wegziehen, zu erheblichen steuerlichen Belastungen führen.
Es gibt jedoch verschiedene Möglichkeiten, die Wegzugsbesteuerung zu vermeiden oder zu minimieren:
- Durch sorgfältiges Wohnsitzmanagement kann die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland beibehalten werden.
- Durch eine Anteilsschenkung vor dem Wegzug an eine in Deutschland ansässige Person kann die Wegzugsbesteuerung umgangen werden, allerdings könnte dies Schenkungsteuer auslösen.
- Durch die Übertragung der Anteile auf eine Stiftung, insbesondere eine Familienstiftung, können die Steuern oft minimiert werden.
- Durch die Umwandlung der Anteile in Betriebsvermögen, beispielsweise durch Gründung einer GmbH & Co. KG mit deutschem Sitz und deutscher Geschäftsleitung, kann die Wegzugsbesteuerung vermieden werden.
- Durch die Umwandlung der Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft kann die Wegzugsbesteuerung umgangen werden, allerdings könnten dadurch andere steuerliche Probleme entstehen.
Es ist wichtig, dass Sie in jedem Fall professionelle steuerliche Beratung in Anspruch nehmen, bevor Sie solche Schritte unternehmen, um unerwartete steuerliche Folgen zu vermeiden. Sprechen Sie uns gerne an. Unsere erfahrenen Steuerberater beraten Sie gerne.
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