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Ehegattensplitting abschaffen? Eine detaillierte Analyse

Geschätzte Lesezeit: 8 Min.

Ehegattensplitting - Was ist das und wie funktioniert es?

Das Ehegattensplitting ist eine besondere Form der Besteuerung für Ehepaare und eingetragene Lebenspartnerschaften in Deutschland. Diese Regelung ermöglicht es, das zu versteuernde Einkommen der beiden Partner zusammenzuzählen und durch zwei zu teilen. Die daraus resultierende "halbierte" Einkommenssteuer ist die Grundlage für die Berechnung der individuellen Steuerschuld jedes Partners.

Ehegatten werden bei der Zusammenveranlagung als ein Steuerpflichtiger behandelt, wodurch der Steuertarif und der anzuwendende Steuersatz stark sinken kann. Außerdem können Freibeträge doppelt abgezogen werden.

Schätzungen zufolge würde die vollständige Abschaffung des Ehegattensplittings die Steuereinnahmen um bis zu 20 Milliarden Euro erhöhen.

Ehegattensplitting

Ein praktisches Beispiel für die Auswirkungen des Ehegattensplittings

Um das Prinzip des Ehegattensplittings besser zu veranschaulichen und zu zeigen, welche finanziellen Auswirkungen es haben kann, betrachten wir ein konkretes Beispiel.

Nehmen wir an, wir haben eine Einzelperson, die ein hohes Einkommen von beispielsweise 150.000 Euro pro Jahr hat. Wenn diese Person ledig ist, beträgt die zu entrichtende Einkommenssteuer inklusive Solidaritätszuschlag nach aktueller Steuertabelle etwa 56.000 Euro.

Nun stellen wir uns vor, dass diese Person eine Partnerin oder einen Partner heiratet, der kein eigenes Einkommen hat. Nach der Heirat wird das Einkommen beider Partner für steuerliche Zwecke zusammengezählt. Es bleibt bei einem zu versteuernden Einkommen von 150.000 Euro, da die Ehefrau keinen Verdienst hat.

Durch das Ehegattensplitting wird für dies Einkommen nun aber der doppelte Grundfreibetrag und der halbierte Steuertarif für Eheleute angewendet.

Die zu entrichtende Einkommenssteuer für die Eheleute würde also, unter Berücksichtigung des Ehegattensplittings, etwa 44.000 Euro betragen.

Dies bedeutet eine erhebliche Ersparnis im Vergleich zur Situation vor der Heirat. Tatsächlich könnten durch die Heirat in diesem Beispiel fast 12.000 Euro an Steuern pro Jahr gespart werden.

Gegenüber unverheirateten Paaren stehen Eheleute somit steuerlich erheblich besser.

Diese hohen Steuervorteile ergeben sich insbesondere, wenn die Eheleute unterschiedlich hohe Einkommen haben. Wenn beide Eheleute gleich viel verdienen, ist der Steuerspareffekt durch die Ehe viel geringer.

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Warum Ehegattensplitting? Vorteile und wirtschaftliche Auswirkungen

Eine zentrale Absicht hinter dem Ehegattensplitting ist es, steuerliche Ungerechtigkeiten auszugleichen, die durch verschiedene Lebensgestaltungen innerhalb der Ehe entstehen können.

Insbesondere wird das Ehegattensplitting oft als ein Mechanismus angesehen, der die Flexibilität und die Freiheit der Ehepartner bei der Entscheidung über ihre Arbeits- und Haushaltsführungsrollen unterstützt.

Ein Partner in der Ehe könnte sich entscheiden, vollzeitlich zu arbeiten und ein hohes Familieneinkommen zu generieren, während der andere Partner die Rolle der Haushaltsführung und eventuell der Kinderbetreuung übernimmt.

In diesem Fall würde das Ehegattensplitting eine finanzielle Entlastung für das Paar darstellen, da das Gesamteinkommen für steuerliche Zwecke zwischen den beiden Partnern aufgeteilt wird. Dies führt zu einer niedrigeren Steuerbelastung, da die Steuerprogression in Deutschland dazu führt, dass höhere Einkommen mit einem höheren Prozentsatz besteuert werden.

Steuerliche Fairness durch Verlustverrechnung in der Ehe

Ein weiteres Element der Steuergerechtigkeit für Ehepaare, ist die Möglichkeit der Verlustverrechnung durch die steuerliche Zusammenveranlagung.

In vielen Lebenssituationen kann es vorkommen, dass ein Ehepartner in einem bestimmten Jahr Verluste macht – vielleicht aufgrund von Geschäftsausfällen, beruflichen Veränderungen oder Investitionen. Gleichzeitig kann der andere Ehepartner in demselben Jahr ein Einkommen erzielen. Ohne die Möglichkeit der Zusammenveranlagung würden die Verluste des einen Ehepartners und das Einkommen des anderen getrennt betrachtet, was zu einer ungerechten Steuerbelastung führen könnte.

Die Zusammenveranlagung ermöglicht es jedoch, die Verluste des einen Ehepartners mit dem Einkommen des anderen zu verrechnen.

Stellt man sich eine Situation vor, in der ein Ehepartner ein Einkommen von 100.000 Euro und der andere einen Verlust von 20.000 Euro hat, würde, ohne Zusammenveranlagung, die volle Steuerbelastung auf das hohe Einkommen von 100.000 Euro anfallen, obwohl dieser Ehepartner den Ehepartner mit den Verlusten finanziell unterstützen muss.

Dieses System der Verlustverrechnung stellt sicher, dass die Gesamtsteuerlast eines Ehepaars fair und angemessen ist, unabhängig davon, wie das Einkommen zwischen den Partnern verteilt ist. Es trägt zur steuerlichen Gerechtigkeit bei, indem es berücksichtigt, dass Ehepartner in der Regel gemeinsam wirtschaften und finanzielle Risiken teilen.

Ist das Ehegattensplitting ein Grundrecht?

Artikel 6 des Grundgesetzes (GG) für die Bundesrepublik Deutschland gewährt der Ehe und der Familie besonderen Schutz. Diese grundrechtliche Verankerung bringt z. B. die Verpflichtung mit sich die Ehe nicht schlechter zu stellen als andere Lebensformen.

Der Ausgleich der hohe Steuerbelastung für Alleinverdiener in der Ehe durch das progressive Steuersystem in Deutschland ist allerdings keine Folge dieses Grundrechtes. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist das Ehegattensplitting verfassungsrechtlich nicht festgeschrieben und könnte somit grundsätzlich abgeschafft werden.

Die Möglichkeit der Übertragbarkeit der steuerlichen Grundfreibeträge zwischen den Eheleuten ist allerdings ein unverzichtbarer Bestandteil und ein Ausdruck des verfassungsrechtlich geschützten Status der Ehe. Die Aufrechterhaltung der Übertragung von Grundfreibeträgen ist somit von entscheidender Bedeutung, um die finanzielle Fairness und Gleichheit innerhalb der Ehe zu gewährleisten.

Kritik und Kontroversen um das Ehegattensplitting

Ehegattensplitting

Kritikpunkt 1: Benachteiligung unverheirateter und gleichverdienender Paare

Trotz seiner Vorteile wird das Ehegattensplitting auch kritisiert. Die Hauptkritikpunkte sind, dass es gleichverdienende Paare und unverheiratete Personen benachteiligt und traditionelle Geschlechterrollen in Beziehungen fördert.

Kritikpunkt 2: Benachteiligung von Frauen

Insbesondere wird argumentiert, dass das Ehegattensplitting finanzielle Anreize für einen Partner (häufig die Frau) schafft, weniger zu arbeiten oder ganz aus dem Erwerbsleben auszusteigen.

Kritiker argumentieren, dass diese Anreize in der modernen Gesellschaft zu wirtschaftlichen und geschlechtsspezifischen Risiken für Frauen führen können, insbesondere bei Veränderungen im Lebensverlauf; wie Trennung oder Tod des erwerbstätigen Partners.

Kritikpunkt 3: Ungleiches Verhältnis zwischen Eheleuten

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Annahme, dass ein Ehepartner mehr arbeitet, um den anderen zu versorgen. Diese Annahme wäre Lebensfern, so dass es zu einem ungerechten Steuervorteil für Eheleute komme, die abgeschafft werden sollte.

Außerdem würden empirische Studien zeigen, dass Ehepartner ihr Einkommen nicht immer gleichmäßig untereinander aufteilen. Daher ist fraglich, ob die Eheschließung tatsächlich zu einer Veränderung in der Aufteilung von Erwerbs- und Haushaltsarbeit führt und, ob die Abschaffung des Ehegattensplittings zu weniger Arbeitseinsatz bei den meist besserverdienenden Ehemännern führen würde.

In diesem Zusammenhang ist Frage aufzuwerfen, ob das Fehlen von Kindergartenplätzen nicht eher ein Hindernis für die Erwerbstätigkeit von Frauen ist.

Die Zukunft des Ehegattensplittings: Mögliche Reformen und ihre Auswirkungen

Es gibt verschiedene Vorschläge, wie das Ehegattensplitting reformiert werden könnte, um seine potenziellen negativen Auswirkungen abzumildern.

1. Beibehaltung des Status Quo:

Einige Stimmen plädieren dafür, das aktuelle System unverändert zu lassen, da der Splitting-Tarif eine direkte Manifestation der im Grundgesetz festgelegten Werte zum Schutz der Ehe ist. Eine Abschaffung würde in diesem Kontext als versteckte Steuererhöhung für Familien angesehen.

2. Realsplitting:

Ein Reformvorschlag betrifft die Einführung des Realsplittings, bei dem nur ein Teil des Einkommens auf den geringer verdienenden Ehepartner übertragen werden kann. Dies würde immer noch Vorteile für ungleich verdienende Paare im mittleren Einkommensbereich bieten, den Vorteil für Spitzenverdiener jedoch reduzieren.

3. Ehegattensplitting mit Altersbeschränkung:

Ein weiterer Vorschlag sieht vor, das Ehegattensplitting auf den Zeitraum mit minderjährigen Kindern zu beschränken. Diese Reform würde die finanzielle Unterstützung von Familien in den Fokus rücken.

4. Familiensplitting:

Eine Möglichkeit könnte beispielsweise darin bestehen, das Ehegattensplitting zu einem Familiensplitting zu erweitern, das auch Kinder einbezieht und nicht nur auf Ehepartner beschränkt ist. Eine andere Möglichkeit wäre, das Ehegattensplitting durch ein individuelles Besteuerungssystem zu ersetzen, das unabhängig vom Familienstand ist.

5. Übertragung der Grundfreibeträge der Kinder auf die Eltern:

Eine letzte Option wäre die Übertragung der Grundfreibeträge der Kinder auf die Eltern. Vermögende Familien nutzen diese Möglichkeit durch geschickte Steuergestaltung bereits heute durch die Verlagerung von Einkünften auf die (minderjährigen) Kinder. Durch eine entsprechende Gesetzesänderung könnte dies auch für Familien mit weniger Vermögen ermöglicht werden.

Fazit

Das Ehegattensplitting ist eine spezielle Steuerregelung für Ehepaare in Deutschland, die es ermöglicht, das zu versteuernde Einkommen beider Partner zusammenzufassen und aufzuteilen. Es bietet finanzielle Vorteile für ungleich verdienende Paare, unterstützt allerdings traditionelle Rollenmodelle. Das System ist umstritten und es gibt Vorschläge für Reformen, wie beispielsweise das Familiensplitting oder auch Realsplitting, um potenzielle Ungleichheiten und Anreize für weniger Erwerbstätigkeit auszugleichen.

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