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Lässt sich mit einer Genossenschaft die Wegzugssteuer oder Schenkungssteuer umgehen?

Geschätzte Lesezeit: 7 Min.

In der steuerlichen Gestaltung wird immer wieder die Frage diskutiert, ob sich mit einer Genossenschaft Steuern wie die Schenkungssteuer oder Wegzugssteuer vermeiden lassen. Der folgende Artikel beleuchtet die rechtlichen und steuerlichen Implikationen dieser Strategie und zeigt auf, welche Möglichkeiten und Risiken es gibt.

Genossenschaft

Genossenschaften: Struktur und Zweck

Eine Genossenschaft ist eine juristische Person, die den Zweck verfolgt, ihre Mitglieder zu fördern. Dies wird im § 1 des Genossenschaftsgesetzes (GenG) klar definiert:

„Gesellschaften von nicht geschlossener Mitgliederzahl, deren Zweck darauf gerichtet ist, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern (Genossenschaften), erwerben die Rechte einer ‚eingetragenen Genossenschaft‘ nach Maßgabe dieses Gesetzes.“

Die Struktur der Genossenschaft unterscheidet sich deutlich von der einer GmbH. Während bei einer GmbH der Gewinn der Gesellschaft und die Ausschüttung an die Gesellschafter im Vordergrund stehen, zielt die Genossenschaft darauf ab, ihre Mitglieder in ihren wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Belangen zu unterstützen. Diese Mitgliederförderung steht im Mittelpunkt der Genossenschaftsstruktur.

Ein weiterer bedeutender Unterschied zur GmbH besteht darin, dass Genossenschaftsmitglieder beim Austritt aus der Genossenschaft lediglich Anspruch auf die Rückzahlung ihrer ursprünglichen Einlage haben. Sie partizipieren nicht am gesamten Vermögen der Genossenschaft, das während ihrer Mitgliedschaft aufgebaut wurde. Dies ist im § 73 des Genossenschaftsgesetzes geregelt und führt dazu, dass die Mitglieder nicht auf das gesamte Vermögen zugreifen können, selbst wenn sie an der Entstehung dieses Vermögens beteiligt waren.

Durch diese Regelung lässt sich steuerlich gestalten, da der Wert der Genossenschaftsanteile oft nicht den tatsächlichen Wert des in der Genossenschaft enthaltenen Vermögens widerspiegelt. Auf diese interessante Möglichkeit der Steuergestaltung werden wir in diesem Blogartikel näher eingehen.

Möglichkeiten und Risiken, Wegzugs- und Schenkungssteuer durch Genossenschaftsstrukturen zu optimieren - kompakt in einem Video

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Potenzial zur Steueroptimierung

Gründung einer Genossenschaft für die Steuergestaltung

Eine interessante Möglichkeit zur Steueroptimierung besteht darin, eine Genossenschaft zu gründen. Hierfür werden mindestens drei Mitglieder benötigt. Man könnte selbst Mitglied der Genossenschaft werden und zusätzlich weitere Unternehmen, die man bereits besitzt, als Genossenschaftsmitglieder eintragen. In Betracht kommen dabei beispielsweise eine operativ tätige GmbH, eine Vermietungs-GbR oder eine Holdinggesellschaft. Auf diese Weise könnte man die Genossenschaft ausschließlich aus Mitgliedern gründen, die man selbst beherrscht.

Diese Struktur der Genossenschaft lässt es zu, dass man weiterhin uneingeschränkt über das Vermögen der Genossenschaft verfügt und dieses Vermögen nur den Genossenschaftsmitgliedern zugutekommt – die man wiederum selbst kontrolliert. Dies bedeutet, dass der Gründer der Genossenschaft in der Lage ist, das Vermögen aufzubauen und zu verwalten, während die Rechtsstruktur der Genossenschaft sicherstellt, dass den einzelnen Genossenschaftsanteilen kein hoher Wert zu kommt und somit eine Steueroptimierung erreicht wird.

Steuerliche Vorteile der Genossenschaftsstruktur

Das Genossenschaftsrecht sieht, wie bereits erläutert, vor, dass ein Mitglied beim Austritt aus der Genossenschaft lediglich Anspruch auf die Rückzahlung der Genossenschaftseinlage hat (§ 73 Abs. 2 GenG). Das restliche Vermögen der Genossenschaft wird nicht an das austretende Mitglied ausgezahlt, sondern verbleibt innerhalb der Genossenschaft. Da nur die ursprüngliche Einlage zurückgezahlt wird, hat dies steuerliche Konsequenzen.

Das Steuerrecht orientiert sich bei der Bewertung von Genossenschaftsanteilen in der Regel nur am Nennwert der Anteile, also an dem Betrag, den das Mitglied ursprünglich eingezahlt hat.

Dies bedeutet, dass die Genossenschaftsanteile bei der Schenkung oder beim Wegzug nur mit einem viel niedrigeren Wert angesetzt werden als das tatsächliche Vermögen, das in der Genossenschaft steckt.

Diese Bewertung ergibt grundsätzlich auch Sinn, da Genossenschaftsmitglieder üblicherweise nur ihre einmal eingezahlte Genossenschaftseinlage zurückerhalten und nicht von dem gesamten Vermögen der Genossenschaft profitieren.

Steuergestaltung durch Schenkungen und Wegzug

Diese Struktur kann gezielt für Steuergestaltungen genutzt werden. Wesentliche Teile des Vermögens können auf die Genossenschaft übertragen werden, um dieses Vermögen dann schenkungssteuerbegünstigt zu verschenken. Anstatt das Vermögen direkt zu übertragen, kann man die Genossenschaftsanteile an eine andere Person verschenken. Diese Person erhält dann zukünftig die Erträge des Vermögens über ihre Genossenschaftsanteile.

Eine weitere Möglichkeit ist der Wegzug ins Ausland mit den Genossenschaftsanteilen.

Da die Anteile in der Regel nur mit dem Nennwert angesetzt werden, wird die Wegzugsbesteuerung deutlich geringer ausfallen, als wenn direkt das gesamte Vermögen der Genossenschaft versteuert würde. Somit könnte die Wegzugssteuer umgangen werden, da der Wert der Anteile viel niedriger angesetzt wird.

Genossenschaft

Relevante Rechtsquellen und die Sichtweise der Finanzverwaltung

Diese steuerliche Behandlung von Genossenschaftsanteilen wird auch von der Finanzverwaltung grundsätzlich geteilt. Die relevanten Rechtsquellen hierfür sind:

R B 151.6 Gesonderte Feststellung des Werts von Genossenschaften:

„Bei zum Betriebsvermögen gehörenden Genossenschaftsanteilen gilt grundsätzlich das Folgende:

  • Diese sind im Rahmen der Ermittlung des Substanzwerts als Kapitalforderungen nach § 12 BewG mit dem Nennwert zu bewerten.
  • Im vereinfachten Ertragswertverfahren sind die Erträge im Jahresertrag nach § 200 Absatz 1 BewG zu erfassen.
  • Genossenschaftsanteile stellen keine Beteiligungen i. S. d. § 200 Abs. 3 BewG dar.
  • Sie zählen als Forderungen zu den Finanzmitteln i. S. d. § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG.
  • Das für die Genossenschaft zuständige Finanzamt hat keine Feststellungen durchzuführen.“

BMF v. 11.11.2011, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 13.05:

„Bei Anteilen an Genossenschaften richtet sich der gemeine Wert nach dem Entgelt, das bei der Übertragung des Geschäftsguthabens erzielt wird.“

Einschränkungen durch allgemeine Bewertungsregeln

Obwohl diese Rechtsquellen für eine niedrigere Bewertung von Genossenschaftsanteilen sprechen, gibt es dennoch eine allgemeine Regelung im § 12 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG), die eine höhere Bewertung unter besonderen Umständen ermöglicht:

„Kapitalforderungen, die nicht in § 11 bezeichnet sind, und Schulden sind mit dem Nennwert anzusetzen, wenn nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen.“

Mit dieser allgemeinen Grundregel wäre es also dem Finanzamt möglich, die Genossenschaftsanteile nicht nur nach der einmal erbrachten Einlage zu bewerten, sondern auch nach dem in der Genossenschaft befindlichen Vermögen, das viel höher ausfallen kann. Es besteht daher ein erhebliches Risiko, dass die geplante Steueroptimierung durch die Verschenkung von Genossenschaftsanteilen oder einen Wegzug mit Genossenschaftsanteilen scheitert, wenn das Finanzamt diese Regelung anwendet und eine höhere Bewertung der Anteile vornimmt.

Trotz des Potenzials zur Steueroptimierung gibt es somit auch Risiken. Das Bewertungsgesetz erlaubt es dem Finanzamt, in besonderen Fällen eine höhere Bewertung der Anteile vorzunehmen. Aus unserer Sicht können solche besonderen Fälle gegeben sein, wenn die Genossenschaft durch eine familiäre Verflechtung oder durch eine fortlaufende Kontrolle durch eine einzige Person gekennzeichnet ist.

In solchen Fällen könnte das Finanzamt nicht nur den Nennwert der Anteile, sondern den tatsächlichen Wert des Vermögens zugrunde legen.

Fehlende Rechtsprechung

Es gibt bisher keine abschließende Rechtsprechung, die klärt, ob diese höhere Bewertung zulässig ist. Dies schafft Unsicherheiten und birgt die Gefahr, dass das Finanzamt eine höhere Steuerbelastung ansetzt als ursprünglich geplant.

Empfehlung: Verbindliche Auskunft und professionelle Beratung

Um das Risiko zu minimieren, empfiehlt es sich, im Vorfeld einen Antrag auf verbindliche Auskunft beim Finanzamt zu stellen. So kann man sicherstellen, dass das Finanzamt der eigenen Rechtsauffassung folgt und später keine überraschenden Steuerforderungen entstehen.

Professionelle Begleitung durch Steuerberater

Solche steuerlichen Gestaltungen sind komplex und risikobehaftet. Daher sollte man stets einen kompetenten Steuerberater hinzuziehen, um sicherzustellen, dass alle rechtlichen Anforderungen erfüllt werden und keine unerwarteten Steuerbelastungen entstehen.

Fazit

Die Idee, Genossenschaften zur Umgehung der Wegzugs- oder Schenkungssteuer zu nutzen, ist zwar attraktiv, birgt jedoch erhebliche Risiken. Eine sorgfältige Planung und rechtliche Absicherung sind unerlässlich, um mögliche Konflikte mit dem Finanzamt zu vermeiden.

Gern stehen wir Ihnen bei steuerberaten.de hierfür zur Verfügung.

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